Forscher am 5. Physikalischen Institut der Universität Stuttgart konnten erstmal die Molekülschwingung in einem sogenannten Ionen-Rydberg Molekül beobachten. Die Ergebnisse ihrer Messungen werden im renommierten Fachjournal Physical Review Letters veröffentlicht.
Einfache Moleküle bestehen lediglich aus zwei Atomen, deren Atomkerne nur etwa einen Nanometer oder noch weniger auseinanderliegen. Dynamische Prozesse laufen auf diesen winzigen Längenskalen ziemlich schnell ab. Wenn die beiden Atome zum Beispiel gegeneinander Schwingen, tun sie das viel zu schnell als dass man sie direkt beobachten könnte – genau gesagt auf einer Zeitskala von einer Hundert Billionstel Sekunde, oder 10 -14 Sekunden.
Den Forschern ist es jetzt gelungen, eine Molekülschwingung in einem Ionen-Rydberg-Molekül direkt zu beobachten. Dieses besondere Molekül besteht aus einem geladenen Teilchen – einem Ion – und einem sogenannten Rydberg Atom. Diese haben die besondere Eigenschaft, dass sich das äußerste Elektron extrem weit weg von dem Atomkern befindet. Verglichen mit einem Atom im Grundzustand ist es riesig. Über Dipol-Wechselwirkungen können Ion und Rydberg-Elektron eine exotische Molekülbindung eingehen, die erst kürzlich am selben Experiment nachgewiesen wurde. Das Besondere an diesem speziellen Molekül ist der riesige Abstand zwischen den Atomkernen. Die Bindungslänge ist mit ca. 4 Mikrometern zigtausend mal größer als bei den einfachen Molekülen. Aufgrund seiner enormen Größe vibriert das Ionen-Rydberg-Molekül viel langsamer als übliche Moleküle. Dieser Effekt ist so stark, dass die Schwingung des Moleküls auf der Zeitskala von etwa einer Mikrosekunde stattfindet und damit direkt beobachtbar wird. Das Riesenmolekül schwingt also quasi in Zeitlupe.
Das Ionen-Rydberg-Molekül wird in einer ultrakalten Gaswolke aus Rubidium-Atomen mit präzisen Lasersystemen erzeugt. Über ein elektrisches Feld wird das Molekül kontrolliert ausgelenkt und zum Schwingen gebracht. Mit Hilfe des in der Forschergruppe entwickelten hochauflösenden Ionen-Mikroskops konnte eine Reihe von Snapshots erstellt werden, die das Molekül zu verschiedenen Zeitpunkten während der Schwingung abbildet und so die Molekülschwingung zeigen.
Die entwickelten Methoden könnten in Zukunft helfen dynamische Prozesse in Molekülen besser zu verstehen und vielleicht sogar die direkte Verfolgung von chemischen Reaktionen auf den atomaren Level ermöglichen.
Die Abbildung zeigt die (simulierte) Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Rydberg-Elektrons, dessen Schwingungsamplitude interessanterweise viel größer ist als die eigentliche Molekülschwingung der beiden Atomkerne.
Originalveröffentlichung:
Yi-Quan Zou, Moritz Berngruber, Viraatt S. V. Anasuri, Nicolas Zuber, Florian Meinert, Robert Löw, Tilman Pfau
Observation of vibrational dynamics of orientated Rydberg-atom-ion molecules
Physical Review Letters 130, 023002 (2023)
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